Flächenverbrauch in Bayern

Flächenverbrauch in Bayern

(Baugebietsausweisungen)

Deutschland erlebt seit Jahren einen dramatischen Flächenverbrauch durch immer neue Baugebietsausweisungen. Es soll deshalb einmal der Frage nachgegangen werden, warum nachhaltiges Handeln in diesem speziellen Bereich so schwierig ist, und was wir riskieren, wenn wir ungebremst landwirtschaftliche oder natürlich geprägte Flächen in Siedlungs- und Verkehrsflächen umwandeln.

Zuständigkeit für neue Baugebietsausweisungen

Der Flächenverbrauch in Deutschland wird weitgehend von den Kommunen gesteuert. Dem Stadt- oder Gemeinderat obliegt nach dem geltenden Baurecht die Entscheidung darüber, ob und an welcher Stelle neues Bauland ausgewiesen wird.

Planung, Bauen und Wohnen zählen zum traditionellen kommunalen Aufgabenbereich.

Hier beschränkt sich die Kommunalaufsicht auf die Einhaltung von Recht und Gesetz (Rechtsaufsicht).

In der Praxis bedeutet dies, dass Appelle zum Flächensparen bei den meisten Kommunen ohne Resonanz bleiben. Zwingen kann man die Kommunen dazu nicht.

Zur aktuellen Situation und zu den Beweggründen, neue Baugebiete auszuweisen

In Bayern wurden 2020 täglich mehr als 11 ha Siedlungs- und Verkehrsflächen neu geschaffen, in Deutschland ca. 56 ha.

So unterschiedlich wie die Kommunen sind, so unterschiedlich sind im Einzelfall natürlich ihre Beweggründe für die Neuausweisung von Baugebieten. Die treibenden Kräfte sind jedoch bei fast allen Kommunen in etwa dieselben, nämlich:

  • vermeintliche Sachzwänge (z. B. alle Möglichkeiten der Fortentwicklung ausschöpfen, die kommunalen Finanzen stärken etc.)
  • Druck von wirtschaftlicher Seite (örtliche Betriebe brauchen neue Aufträge)
  • vermeintliche Notwendigkeit, Familien mit Kindern fördern zu müssen
  • kommunales Konkurrenzdenken – was die Nachbargemeinde kann, können wir auch

Auswirkungen des hohen Flächenverbrauchs durch Baugebietsausweisungen

  • auf die Ökologie:
    • Unwiederbringlicher Verlust landwirtschaftlichen Bodens (er wird in Zukunft wertvoller sein als Erdöl).
    • Der Individualverkehr wächst durch neue Baugebiete, vor allem solche im ländlichen Raum (die CO2-Emissionen steigen und beschleunigen den Klimawandel, die Lärmpegel nehmen zu, der Schadstoffausstoß steigt).
    • Der Wasserhaushalt verliert durch Überbau und Flächenversiegelung seine natürliche Funktion (weniger Grundwasserneubildung, Zunahme der Hochwassergefahr durch beschleunigten Oberflächenwasserabfluss bei künftig vermehrt auftretendem Starkregen).
    • Lebensräume der Tiere werden fragmentiert; dies fördert das Artensterben (neu entstehende Hausgärten können das nicht ausgleichen; auch das System der Ausgleichsflächen ist nicht in der Lage, die durch den Flächenverbrauch entstehenden Verluste auch nur annähernd wettmachen).
  • auf den sozialen Bereich:
  • Wohnortnaher Erholungs- und Erlebnisraum für breite Bevölkerungsschichten geht dauerhaft verloren.
  • Regionale Lebensmittelversorgung funktioniert nicht mehr, wenn die erforderlichen landwirtschaftlichen Flächen wegfallen.
  • Der dörfliche Charakter und damit der soziale Zusammenhalt gehen durch fortschreitende Zersiedlung in ländlichen Gemeinde-Ortsteilen verloren (Alteingesessene u. Zugezogene gehen getrennte Wege).
  • Stichwort „Geistersiedlungen“: Viele der heute im ländlichen Raum neu errichteten Wohnsiedlungen werden in 30 Jahren leer stehen (demographischer Wandel; Wegfall der Großfamilie; Kinder verlassen den ländlichen Raum zur Ausbildung und aus beruflichen Gründen, die Älteren, weil ihre Alterspflege am Ort zu beschwerlich ist).
  • Die „Flucht“ von Familien mit Kindern aus den Städten (z. B. Nürnberg, Erlangen) “ins Grüne“ fördert die Entstehung von Problemvierteln in den Städten (Schlagwort: „Entmischung der Bevölkerung“).
  • auf den wirtschaftlichen Bereich:
    • Neue Wohnsiedlungen erfordern eigene Infrastruktur (Trinkwasser, Abwasser, Straßen, Kindergärten etc.), für deren Instandhaltung und Betrieb die heute schon überwiegend finanzschwachen Kommunen aufkommen müssen, auch dann noch, wenn in 30 oder 40 Jahren die Einwohnerzahlen stark zurückgegangen sein werden.
    • Wachsende motorisierte Mobilität ist ebenfalls ein Kostenfaktor für die Kommunen (Straßenbau und – unterhalt); Baugebietsausweisungen in nicht oder mangelhaft an den ÖPVN angeschlossenen Ortsteilen einer Kommune führen jedoch immer zu einer Steigerung des innerörtlichen motorisierten Verkehrs.

Baugebietsausweisungen entlasten die Gemeindekassen deshalb in der Regel nur kurzfristig. Auf lange Sicht sind sie unrentabel und eine finanzielle Dauerbelastung für die Kommunen und deren Bürger.

Zum wirtschaftlichen Aspekt gehört auch eine Hinterfragung des Wohnraumbedürfnisses. Wer sich ständig mehr leistet, als er braucht, handelt nicht nachhaltig und wird auf Dauer auch ökonomisch nicht erfolgreich sein können..

Bei Wohneigentum (nicht bei Mietwohnungen) nimmt der in Anspruch genommene Wohnraum in Deutschland pro Kopf seit Jahren zu (in den letzten Jahren sogar um ca. 1 qm pro Jahr auf derzeit durchschnittlich 46 qm!). Dieser Trend wird durch den demographischen Wandel weitere Schubkraft erhalten.

Es sollte nicht sein, dass dafür die wertvolle Ressource Boden „geopfert“ wird; sie ist knapp, nicht vermehrbar und für künftigen Generationen lebensnotwendig.

Der andere Weg – Ausblick

Es gibt kaum einen Bereich, in dem (quer durch alle politischen Parteien) so weitreichende Übereinstimmung zwischen Bund- und Ländern einerseits und den Umweltverbänden und Nichtregierungsorganisationen (NGO`s) andererseits herrscht, wie in der Frage des Flächenverbrauchs durch Neuausweisung von Baugebieten.

Zahlreich sind die Empfehlungen von beiden Seiten, es anders und besser zu machen:

  1. Vorrang der Innenentwicklung vor der Außenentwicklung (Bodenschutzklausel; Bayer. Landesentwicklungsprogramm).
  2. Entwicklung in den Kommunen auf den Bestand konzentrieren.
  3. Vorhandene Leerstände und Brachen besser nutzen.
  4. Für kleinere Orte vor einer Baulandausweisung ein „Zukunftsbild“ erarbeiten.
  5. Einwohnerbefragungen durchführen.
  6. In das bereits vorhandene Wohnumfeld für Familien mehr investieren und dadurch die Lebensqualität verbessern.
  7. Natur- u. Erholungspotentiale der kleineren Gemeinden besser nutzen.
  8. Keine Neubaugebiete mehr ohne Anbindung an gut funktionierenden ÖPNV.
  9. Errichtung von „Landwirtschafts-Schutzgebieten“

Nicht nur die Empfehlungen, auch die Unterstützungsangebote für die Kommunen sind vorbildlich. Wen es interessiert, der findet über Google unter dem Stichwort

„Broschüre Kommunales Flächenmanagement – Publikationsshop“

eine (schon etwas ältere) Zusammenstellung des Bayer. Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit über die aktuellen Hilfen zur Reduzierung des Flächenverbrauchs. Zu diesem reichhaltigen Angebot zählt z. B. auch eine Wanderausstellung „Flächensparen in Bayern“.

Wenn trotz allem in den Kommunen bei Baugebietsausweisungen weiterhin überwiegend wirtschaftliche Überlegungen dominieren, stellt sich die Frage, ob von den Stadt- und Gemeindeverwaltungen tatsächlich alles getan wird, damit Informationen und Unterstützungsangebote in einer die Unabhängigkeit wahrenden Form wirklich bis zu den Mandatsträgern gelangen. Deren Pflicht wäre es, die Dynamik bei der Ausweisung von neuen Siedlungs- und Verkehrsflächen umgehend zu stoppen. Der Nachweis, dass Neuausweisungen in der heutigen Zeit nicht mehr dem Gemeinwohl der Kommunen dienen, ist vom Bund, den Ländern und vielen NGO`s längst erbracht.

Zum Schluss bleibt noch einmal festzuhalten:

Es gibt Alternativen zur derzeitigen kommunalen Praxis der Baugebietsausweisungen. Die Devise lautet in erster Linie: „Den Siedlungsbestand wahren und dessen Umfeld qualitativ verbessern“. Wenn dies geschieht, muss niemand befürchten, dass in den ländlichen Kommunen, insbesondere in deren Ortsteilen, die Lichter ausgehen und ein „Dornröschen-Schlaf“ beginnt. Es wird nur Gewinner geben.